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Little Women – Kritik

Ausgerechnet eine Adaption von Little Women sollte auf Greta Gerwigs großen Regiedurchbruch Lady Bird folgen. Nur wenige Romane werden mit einer derartigen Beharrlichkeit verfilmt wie Louisa May Alcotts Klassiker, was fraglos ein Zeugnis für die große Beliebtheit der inzwischen über 150 Jahre alten Geschichte rund um die vier Schwestern Jo, Meg, Amy und Beth ist. Greta Gerwig entdeckt in ihrer filmischen Übersetzung aber nicht nur die Popularität des zugrundeliegenden Stoffes, sondern ebenfalls seine Zeitlosigkeit. Ihre Verfilmung fühlt sich an, wie eines dieser Bücher, das bereits durch unzählige Hände gegangen ist, jedoch keineswegs von seiner ursprünglichen Faszination verloren hat.

Die Bewunderung, die Greta Gerwig gegenüber Louisa May Alcotts Roman empfindet, ist in jeder Faser von Little Women zu spüren, allerdings nicht in Form von betäubender Ehrfurcht, sondern der ansteckenden Begeisterung, endlich selbst in die Welt einzutauchen. Als Regisseurin und Drehbuchautorin blättert Greta Gerwig aufgeregt durch die Seiten und schreckt nicht davor zurück, die Chronologie der Ereignisse zu verändern. Dadurch entsteht eine neue Dramaturgie – ein Wechselspiel zwischen gegenwärtigen und vergangenen Episoden, die abwechselnd vom strahlenden Sonnenlicht der Erinnerung und dem Schatten schmerzhafter Erfahrungen begleitet werden.

Greta Gerwig beobachtet viele Parallelen und die mal größeren, mal kleineren Variationen dazwischen, etwa wenn Jo wieder in ihre Heimat zurückkehrt und mit einer Reihe von sich wiederholenden Situationen konfrontiert wird. Die Zusammenhänge werden dabei selten ausbuchstabiert. Vielmehr ermöglicht es diese Herangehensweise, dass gewisse Entwicklungen nachträglich in einem neuen Licht erscheinen, genauso wie die Figuren das Erlebte reflektieren. Die Kostbarkeit des Moments geht bei all diesen Puzzleteilen keineswegs verloren, im Gegenteil: Was Greta Gerwig am meisten interessiert, sind die Figuren, allen voran die vier Schwestern, die das Herz des Films bilden.

Mit Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh und Eliza Scanlen hat Greta Gerwig vier fantastisch Hauptdarstellerinnen versammelt, die zuerst vor Gegensätzen strotzen, ehe sie in einem unscheinbaren Augenblick als Familie zusammenrücken. Magisch sind die Szenen in Little Women, in denen die vier Schwestern das Leben und die Welt diskutieren, eingefangen von einer sorgfältigen Inszenierung. Greta Gerwig ist unglaublich verliebt in ihre Schauspielerinnen und versucht, jede Nuance ihres Spiels sichtbar zu machen. Die gleiche Aufmerksamkeit bringt sie auch für den Rest des Ensembles auf, gerade mit einem Blick auf Laura Dern, Timothée Chalamet und Meryl Streep.

Gemeinsam mit ihrem exzellenten Cast entfaltet sie nach und nach die Komplexität der einzelnen Figuren und ihren Beziehungen untereinander. Scharfsinnige Beobachtungen und geistreiche Einschübe vereinen sich mit einer bemerkenswerten emotionalen Tragweite: Little Women berührt nicht nur durch tragische und romantischen Elemente, sondern ebenfalls durch Humor und den lebensbejahenden Geist, der selbst über den verheerendsten Niederlagen schwebt. Besonders die Musik von Alexandre Desplat erweist sich als Bote der Gefühle, die den Film ab der ersten Einstellung begleiten, ohne jemals ausgestellt zu werden. Auch hier übernimmt eine bewundernswerte Sorgfalt das Erzählen.

Die letzte große Stärke des Films verbirgt sich in der Textur der Bilder. Kameramann Yorick Le Saux, der schon im Rahmen von Personal Shopper ein paar der denkwürdigsten Bilder der letzten Dekade geschaffen hat, verwandelt Little Women in eine erhabene Erfahrung. Das Glück versteckt sich hier nicht selten in rauen 35-mm-Aufnahmen. Und dann rennt Saoirse Ronan wie einst Greta Gerwig in Frances Ha voller Energie und Lebenslust durch die Straßen von New York. Auch wenn sich ihre Figuren in verschiedenen Jahrhunderten befinden, werden sie von einer unaufhaltsamen Bewegung vereint. Die ganze Welt gibt es zu entdecken – und mit dieser Neugier entlässt uns Little Women aus dem Kino.

Little Women © Sony Pictures