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Malcolm & Marie – Kritik

Sogar der „white Lady“ von der L.A. Times hat sein neuer Film gefallen! Malcolm (John David Washington) könnte kaum glücklicher sein. Die Filmkritikerin, mit der er seit einem Verriss auf Kriegsfuß steht, zollt ihm endlich den Respekt, den er seiner Meinung nach verdient. Berauscht von den lobenden Worten und den Reaktionen des Publikums bei der Premiere tanzt Malcolm mitten in der Nacht durch das schicke Haus, in dem er von der Produktionsfirma untergebracht wurde. Marie (Zendaya), seine Freundin, teilt die Ausgelassenheit nicht.

Das Ungleichgewicht in der Beziehung ist ab der ersten Minute von Malcolm & Marie sichtbar. Regisseur und Drehbuchautor Sam Levinson lässt keine Zweifel daran, dass trotz Malcolms Euphorie auf der Premiere etwas nicht so gelaufen ist, wie es sich Marie erhofft hat. Kurze Zeit später folgt die Bestätigung im Dialog: Malcolm hat vergessen, Marie in seiner Rede zu danken, obwohl der Film, den er gedreht hat, maßgeblich von ihrem Leben inspiriert wurde. Es ist nur die Spitze des Eisbergs unausgesprochener Konflikte, die sich zwischen den beiden angestaut haben und nun entfesselt werden.

Auf engstem Raum entfaltet sich das grobkörnige Schwarz-Weiß-Drama, das mit minimaler Crew während dem ersten Corona-Lockdown ausschließlich in einer Villa in Kalifornien, dem sogenannten Caterpillar House, gedreht wurde. Malcolm & Marie ist jedoch deutlich mehr als ein aus der Not heraus entstandener Konzeptfilm. Ähnlich wie bei den Euphoria-Sonderfolgen nutzt Levinson die außergewöhnliche Situation, um sich kreativ auszuprobieren. Als die wichtigste Verbündeten bei diesem Experiment entpuppen sich Zendaya und John David Washington.

Sie sind es, die den Film mit Leben füllen und die dramaturgischen Wendungen nachvollziehbar machen. Levinsons Drehbuch tendiert dazu, (zu) schnell in die Metaebene zu wechseln, wenn es etwa um die großen Fragen des Filmemachens, die Rezeption von Kunst und Künstler*in sowie die Doppelmoral in Hollywood geht. Durch das unglaublich dynamische Zusammenspiel von Zendaya und John David Washington bleibt der Film jedoch geerdet und greifbar. Sie vermitteln den Eindruck, dass sich mehr hinter den messerscharf vorgetragenen Monologen versteckt als ein perfekt auswendig gelernter Text voller Trigger.

Am stärksten sind die Momente, in denen sich die Malcolm und Marie in den ungewissen Ruhephasen ihres an- und abschwellenden Streits in die Augen schauen. Mal pulsiert da funkelnder Zorn, Enttäuschung und Verachtung, mal eine überwältigende Zerbrechlichkeit. Am Ende des Films haben beide Figuren mehr von sich offenbart, als sie es jemals an diesem Abend zulassen wollen. Nach und nach verlieren sie die einzelnen Teile ihrer Rüstung, selbst wenn zwischenzeitlich doch noch ein Messer gezückt wird, um der Suche nach Wahrhaftigkeit eine weitere Performance entgegenzustellen.

Malcolm & Marie steigert sich von Minute zu Minute. Zwar kommt Marie immer wieder auf Malcolms Rede zurück, die den Ereignissen des Films vorausgeht. Doch bis wirklich der Kern des Problems erkundet ist, braucht es Zeit. Zwischen all den Vorwürfen, Demütigungen und Umarmungen trägt Sam Levinson behutsam eine Schicht nach der anderen dieser komplexen Beziehung ab. Und dann sind da die rauen 35-mm-Aufnahmen von Marcell Rév, die sowohl von der Einsamkeit und der Stille der Nacht als auch den aufwühlenden Worten erzählen, mit denen sich Malcolm und Marie verletzen.

Beitragsbild: Macolm & Marie © Netflix