The Tribes of Tatooine, die zweite Folge von The Book of Boba Fett, bleibt dem Erzählmuster des Serienauftakts treu. Erneut tauchen wir in zwei verschiedene Zeitebenen ein, um die Geschichte des Kopfgeldjägers zu erforschen, der keiner mehr sein will. Boba Fett (Temuera Morrison) versucht, sich als neuer Daimyo von Tatooine zu beweisen, was ihm gleich mehrere Niederlagen beschwert. Weder der Bürgermeister von Mos Espa noch die entfernten Verwandten von Jabba the Hutt bringen ihm den Respekt entgegen, den er als neuer Herrscher über den Wüstenplaneten verlangt.
Langsam, aber sicher dürfte Fetts Geduldsfaden reißen. Öffentliche Demütigungen und die Reduzierung auf sein altes Handwerk drängen ihn in eine Ecke, die für die größte Witzfigur des Star Wars-Universums reserviert ist. Nicht einmal Fennec Shands (Ming-Na Wen) schlagfertige Sprüche verschaffen ihm einen Vorteil in dieser Welt, die ihn um keinen Preis willkommen heißen will. Warum sich Boba Fett trotzdem nicht aus der Ruhe bringen lässt, verrät der zweite Teil der Episode. Er führt uns zurück ins die Vergangenheit und greift den Handlungsstrang mit den Sandleuten auf.
Serienschöpfer und Drehbuchautor Jon Favreau zeigt aufrichtiges Interesse an der Kultur der Sandleute und verweilt für längere Zeit in ihrem Lager. Die Einheimischen von Tatooine sind mehr als eine praktische Zwischenstation, um Boba Fett nach seinem Überlebenskampf im Inneren des Sarlaccs wieder in Form zu bringen. Von dialoglastigen Passagen sind wir nach wie vor mehrere Quadranten entfernt. Stattdessen übernehmen Gesten und Bewegungen das Erzählen, während die martialische Musik von Ludwig Göransson und Joseph Shirley als zuverlässiger Motor der Episode fungiert.
Steph Greens Inszenierung wirkt deutlich runder als die von Robert Rodriguez in der Debütfolge. Selbst wenn die meisten Orte – sogar sagenumwobene wie die Tosche Station – sehr blass bleiben und kaum Raum zum Erkunden bieten, baut The Tribes of Tatooine in seiner zweiten Hälfte definitiv Momentum auf. Das liegt vor allem an zwei starken Sequenzen: Auf der einen Seite präsentiert die Serie mit einem Zugüberfall ihr erstes großes Action-Set-Piece. Auf der anderen Seite wandert Boba Fett durch seine Erinnerungen und findet sich für ein paar Sekunden in den Klonkriegen wieder.
Zuerst wird aber der Zugüberfall aus langer Hand geplant. Die Sequenz erinnert in ihren besten Momenten an den rasanten Coaxium-Heist in Solo: A Star Wars Story – ein Eindruck, der durch die Präsenz die Pykes untermauert wird. Das Syndikat will seine Route sichern, dringt dafür ins Gebiet der Sandleute ein und tötet sie. Boba Fett will den Sandpiercer stoppen, was zu reichlich Explosionen und gewagten Manövern auf rasenden Transportmitteln führt. So mitreißend die Action ist: Die Nuancen bleiben bei dem Konflikt zwischen Eindringlingen und Einheimischen links und rechts des Weges liegen.
Doch dann verwandelt sich Tatooines Dünenmeer in den Ozean von Kamino: Einmal mehr kehrt The Book of Boba Fett in einem fiebrigen Flashback an die stürmische Geburtsstätte seines Protagonisten zurück. Wenn sich Jango Fetts Schiff in die Dunkelheit verabschiedet, spiegelt sich der glühende Antrieb der Slave I auf einer verregneten Fensterscheibe, als würde dem jungen Boba eine leuchtende Träne die Wange herunterlaufen. Ein atmosphärischer, herzzerreißender Augenblick: Von solchen eindrucksvollen Bildern hat The Book of Boba Fett bisher leider viel zu wenige zu bieten.
Nachtrag: Schon bei The Mandalorian hat sich Favreau für die Gestaltung seiner Episoden konkrete filmische Vorbilder gesucht, vor allem Western und Samuraifilme. Das hat sich bei The Book of Boba Fett nicht geändert: The Tribes of Tatooine ist eindeutig von Lawrence of Arabia inspiriert. Aufgrund der großartigen Kamino-Szene habe ich am Ende aber mehr darüber nachgedacht, wie die Episode Motive aus Close Encounters of the Third Kind und A.I. Artificial Intelligence aufgreift. Der Junge, dem das Licht begegnet. Und die wichtige Person, die als Träne in die Tiefe fällt.
Beitragsbild: The Book of Boba Fett © Disney+/Lucasfilm
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