Schwarzer Rauch steigt über dem Dünenmeer von Tatooine auf. An jenem Ort, an dem wir zuletzt Gemeinschaft bezeugen konnten, die sich über Grenzen hinweggesetzt hat, herrscht das Verderben. Boba Fett (Temuera Morrison) nähert sich dem zerstörten Lager des Tusken-Stammes, der ihn als Freund und Verbündeten aufgenommen hat. Jetzt sieht er die Zelte brennen, während ein tiefer Chor auf der Tonspur die Toten besingt. Fassungslosigkeit. Seine Miene versteinert sich im Angesicht des vergossenen Blutes. Es ist der bisher niederschmetterndste Moment in The Book of Boba Fett.
Ehe der Kopfgeldjäger den erlebten Schmerz im Bacta Tank von Jabbas Palast verarbeiten kann, prügelt ein bedrohlich aussehender Wookiee erbarmungslos auf ihn ein. In The Tribes of Tatooine wurde Black Krrsantan (Carey Jones) bereits als knurriger Zeitgenosse vorgestellt (seinen Ursprung hat er in den Darth Vader-Comics von 2015 sowie der damit verbundenen Doctor Aphra-Reihe). In der dritten Folge von The Book of Boba Fett, namentlich The Streets of Mos Espa, erweist er sich als rabiate Bestie und schenkt uns einen der wenigen Jump-Scares der Star Wars-Geschichte.
Bestie ist aber nicht gleich Bestie: Serienschöpfer Jon Favreau fordert uns auf, zweimal hinzuschauen. Das, was auf den ersten Blick unfreundlich wirkt, entpuppt sich in seiner Ecke des Star Wars-Universums oft als das Gegenteil. The Mandalorian stellt uns eine Figur vor, deren kalte Rüstung einen erbarmungslosen Kopfgeldjäger erwarten lässt. Din Djarin (Pedro Pascal) offenbart sich im Verlauf der ersten zwei Staffeln jedoch als deutlich komplexere Figur. Ähnliches versucht Favreau in The Book of Boba Fett, angefangen beim Titelhelden über die Sandleute bis hin zu Black Krrsantan.
Hinter vielen der einschüchternden Star Wars-Masken verbergen sich missverstandene Geschöpfe. Das prominenteste Beispiel der neuen Folge ist ein Rancor, der von den Hutts angeliefert wird. In Return of the Jedi zermalmt ein solches Ungetüm beinahe Luke Skywalker (Mark Hamill). The Bad Batch hat uns dagegen verraten, dass mehr hinter den monströsen Kreaturen steckt. Der Rancor in The Book of Boba Fett erweist sich als zartes Tier, das gestreichelt werden will. Vielleicht fungiert er aber auch als trojanisches Pferd, um den neuen Daimyo von Tatooine in den Abgrund zu stürzen.
Das gewaltige Damoklesschwert, das über ihm schwebt, ignoriert Boba Fett mit bemerkenswerter Beharrlichkeit. Leider ist Favreau selten daran interessiert, diese angerissenen Ambivalenzen zu erforschen. The Streets of Mos Espa fußt auf einem schwachen Drehbuch, das sich von einer Szene zur nächsten schleppt und kaum ein Gefühl für Orte und Figuren entwickelt. Besonders bitter ist das für die frisch eingeführte Drash (Sophie Thatcher) und ihre Cyborg-Vespa-Gang, die sich mit Mok Shaiz‘ rechter Hand (David Pasquesi) eine Speeder-Verfolgungsjagd durch die Straßen von Mos Espa liefern.
Nach Stranger in a Strange Land hätte Regisseur Robert Rodriguez hier perfekt die überwältigende Motorball-Szene aus Alita: Battle Angel mit dem Übermut der Heranwachsenden vereinen können, die durch American Graffiti heizen. Die Verfolgungsjagd in The Book of Boba Fett entbehrt jedoch jeglichem Gefühl für Geschwindigkeit und Dynamik. Anstelle auf mitreißende Bewegungen zu setzen, arbeitet sich Rodriguez an Slapstick-Einlagen ab. Manchmal funktionieren sie, meistens aber sollen sie darüber hinwegtäuschen, dass die Serie hart an der Grenze ihrer Möglichkeiten entlangschlittert.
Beitragsbild: The Book of Boba Fett © Disney+/Lucasfilm
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