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The New Mutants – Kritik

Eigentlich hätte The New Mutants bereits im April 2018 in die Kinos kommen sollen und stammt somit aus einer Zeit, in der das X-Men-Universum unter dem Dach von Fox florierte. Gerade erst hatte der starke Logan dem Franchise einen frischen Atem eingehaucht, während die bevorstehende Deadpool-Fortsetzung einen weiteren Box Office-Erfolg versprach. The New Mutants hätte als Mischung aus Coming-of-Age- und Horrorfilm das Tor in eine völlig neue Ecke der umfangreichen Welt von Marvels Mutanten aufgestoßen. Doch dann kam alles ganz anders.

Nicht nur wurde der Film mehrmals verschoben, auch eine neue Schnittfassung inklusive umfangreicher Reshoots stand im Raum, die schlussendlich allerdings nie umgesetzt wurde. Dazu kam der Kauf von Fox durch Disney, sodass das eben noch blühende X-Men-Franchise zunehmend in sich zusammenstürzte. Im Schatten dieser Ereignisse erschien letztes Jahr mit Dark Phoenix das notdürftige, unausgereifte Finale der Hauptreihe. The New Mutants markiert nun den endgültigen Schlusspunkt einer Ära an Comicverfilmungen, die das Kino seit Beginn der 2000er Jahren begleiten.

Das Ergebnis ist ein merkwürdiger Abschied geworden, denn tief in seinem Inneren strebt The New Mutants danach, ein völlig neues X-Men-Kapitel aufzuschlagen. Einen Abschied – das hatte Regisseur Josh Boone nie vor Augen, als er sich nach der John Greene-Verfilmung The Fault in Our Stars ins Marvel-Territorium wagte. Im Gegenteil: The New Mutants war als Auftakt einer eigenen Trilogie geplant und das ist dem Film in jeder Faser anzumerken, besonders dann, wenn er sein junges Ensemble vorstellt, das hier offensichtlich das erste von vielen weiteren geplanten Abenteuern erlebt.

Wortwörtlich öffnet The New Mutants jenes eingangs erwähnte Tor. Sobald die neuen Mutanten jedoch ihr zuvor in aller Bedrohlichkeit vorgestelltes Gefängnis verlassen, begeben sie sich auf den Weg in eine Zukunft, die nicht existiert. Diese Metaebene verleiht dem Film eine zusätzliche traurige Ebene, die sich in den besten Momenten auf sehr berührende Weise mit der erzählten Geschichte vereint. Denn wenn Dani (Blu Hunt) die anderen Mutanten im Krankenhaus von Dr. Cecilia Reyes (Alice Braga) kennenlernt, existiert da eine gewisse Fantasie, nämlich eines Tages selbst einer der X-Men zu werden.

Ist die Hölle der Teenage Angst in Verbindung mit ungewollten Superkräften erst einmal überwunden, dann wartet das Leben als strahlender Superheld, ausgebildet von niemand Geringerem als dem Vorgesetzten von Dr. Cecilia Reyes. Es braucht nicht viel Vorwissen, um diese geheimnisvolle Figur als Charles Xavier aka Professor X zu identifizieren, doch ausgerechnet der letzte X-Men-Film muss die Träume der nachfolgenden Generation mit einer fürchterlichen Wahrheit brechen. Die X-Men könnten nicht weiter weg sein, hier existieren nur Horrorgestalten.

Ein dämonischer Bär und die wahrlich furchteinflößenden Smile Men terrorisieren die Jugendlichen in den klaustrophobischen Gängen der sowieso schon unheimlichen Einrichtung, in der sich The New Mutants fast ausschließlich abspielt. Wenngleich Josh Boones Film extreme Anlaufschwierigkeiten hat und visuell selten die Möglichkeiten der fantastischen Erscheinungen ausschöpft, gelingt es ihm durchaus mit zunehmender Laufzeit, in die aufgewühlten Seelen seiner Figuren vorzudringen. Da findet er vieles, was gerne noch mehr vertieft hätte werden können, uns aber dennoch Anlass zum Mitfühlen gibt.

Zum Schluss schmerzt die Erkenntnis, dass keine neuen Abenteuer mit den X-Men warten, sondern bloß die kalte Essex Corporation, die im Kontext der Filmhandlung genauso bedrohlich ist wie Disney auf der Metaebene. Beobachtet und verschlungen: Allzu einfach macht es sich Josh Boone, der gemeinsam mit Knate Lee auch das Drehbuch geschrieben hat, allerdings nicht: Neben dem großen Bösen, das sich ziemlich schnell und unmissverständlich identifizieren lässt, gibt es noch eine weitere Gefahr, die verborgen in den Figuren schlummert und immer wieder auszubrechen versucht.

Diese Gefahr kennt keine Grenzen, keinen Raum und keine Zeit. Sie kommt aus der Vergangenheit in die Gegenwart, aus den Träumen in die Realität und aus dem Unterbewusstsein direkt vor die eigenen Augen. Jeder Schmerz der Ausgegrenzten, der Andersartigen ist auf einmal echt: Nicht nur läuft hier der Horror mit dem Coming-of-Age zusammen – auch als Erweiterung der klassischen X-Men-Themen funktioniert The New Mutants einwandfrei. Es ist zwar sicherlich nicht der beste Film, der er sein könnte, aber entgegen aller unheilvollen Vorzeichen doch ein X-Men-Film, der bleiben wird.

The New Mutants © 20th Century Studios