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Werk ohne Autor – Kritik

Acht Jahre sind vergangen, seitdem Florian Henckel von Donnersmarck mit The Tourist den Sprung nach Hollywood versuchte. Weitere fünf Jahre zuvor gewann er mit seinem Kinodebüt Das Leben der Anderen den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Werk ohne Autor reiht sich nun als dritter Langfilm in seine außergewöhnliche Filmographie und darf sich erneut Chancen auf die begehrte Trophäe machen, wurde der Film noch vor seiner Premiere auf den Filmfestspielen von Venedig als deutscher Beitrag für die nächste Verleihung ausgewählt. Abseits der Wiederholung eines erprobten Konzepts stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet Werk ohne Autor in einem Filmjahr antreten soll, in dem Thomas Stuber von den Geschehnissen in den Gängen berichtet, Lars Kraume ins schweigende Klassenzimmer entführt und Christian Petzold mit Transit einen Film für die Ewigkeit abliefert. Ein Film für die Ewigkeit, das will auch Werk ohne Autor sein. Florian Henckel von Donnersmarck kann dem eigenen Anspruch jedoch in keiner der 188 Minuten seiner uninspirierten Geschichtsstunde standhalten.

Dabei fordert Werk ohne Autor die Zuschauer gleich zu Beginn auf, niemals wegzusehen. Auf keinen Fall darf die Geschichte vergessen werden. Ein bizarrer Aufruf in Anbetracht eines Films, der im Anschluss förmlich durch die Geschichte rennt, ohne den kompletten Verstrickungen, die er heraufbeschwört, die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. Mit dem jungen Künstler Kurt Barnert (Tom Schilling) hat sich Florian Henckel von Donnersmarck außerdem einen Protagonisten ausgesucht, mit dem er unermüdlich von der großen Ambition schwärmen kann. Die Weltformel knacken, ein Kunstwerk schaffen, das ist hier die Aufgabe. Werk ohne Autor, der Film,  erzählt vorzugsweise aber nur davon, was er am liebsten wäre und vernachlässigt damit auf schmerzliche Weise den wahren Kern des Gezeigten, der lediglich mit Worten ausgestellt, aber niemals mit Gefühlen bewiesen wird. „Alles, was wahr ist, ist schön“, lautet der verklausulierte Leitspruch dieses Dramas, das gleichzeitig die Schrecken der Gaskammer mit einem Fliegerangriff in einer geschmacklosen Parallelmontage gleichsetzt.

Von Wahrheit und Schönheit ist in diesen Bildern wenig zu entdecken, da sich Florian Henckel von Donnersmarck auf bedeutungsschwangere Einstellungen verlässt und ein seelenloses Prestigekino schafft, das fast ohne Ecken und Kannten auskommt, was hinsichtlich der angesprochenen Themen geradezu irritierend ist. Kurt verliebt sich nämlich in die Kommilitonin Elisabeth (Paula Beer), die wiederum die Tochter von Professor Seeband (Sebastian Koch) ist, der sich mit effizienter Strenge dem SED-Regime unterordnet, obgleich ihn ein düsteres Geheimnis mit Kurts Kindheit und dem Dritten Reich verbindet. Die Enthüllungen dieses Geheimnisses gehen in Werk ohne Autor angenehm schnell vonstatten. Dennoch scheitert der Film im Anschluss daran, die Figuren mit ihren Hintergründen und Entscheidungen zu konfrontieren. Werk ohne Autor schürft nur so tief in den Wunden, bis Florian Henckel von Donnersmarck den nächsten ehrfürchtigen Moment heraufbeschwören kann, der sich an Betroffenheit labt, anstelle sich einzugestehen, dass die Wahrheit nicht nur schön, sondern auch hässlich sein kann.

Sebastian Koch, der als angsteinflößende Konstante durch diesen Film marschiert, wartet vergeblich darauf, die Situation zur Eskalation zu bringen. Einerseits ist es Werk ohne Autor in den finalen Minuten anzurechnen, dass sich der Film auf ein offenes Endes einlässt. Andererseits erfolgen davor drei Stunden, in denen sich Florian Henckel von Donnersmarck immer wieder aus den unangenehmen Begegnungen herausmanövriert, indem er die Figuren – mitunter sprichwörtlich – die Flucht ergreifen lässt. Mal fliehen sie aus der DDR in den Westen, mal fliehen sie aus einem Restaurant in die Finsternis der Nacht. Direkt in die Augen schauen sie sich aber viel zu selten. Gerade bei Paula Beer, die neben Transit dieses Jahr auch die sechsteilige erste Staffel von Bad Banks als Hauptdarstellerin stemmte, ist diese Vernachlässigung besonders ärgerlich. Florian Henckel von Donnersmarck weiß sein vor (und hinter) der Kamera versammeltes Talent nicht zu schätzen. Lediglich Max Richters Kompositionen halten das Werk ohne Autor zusammen, selbst wenn diese eigentlich aus einem anderen Universum stammt.

Werk ohne Autor © Walt Disney Studios Motion Pictures