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Aquaman – Kritik

Als sich die Justice League zum ersten Mal in Warners DC-Universums versammelte, gab es einen Superhelden, der allein dank seines grobmotorischen Auftretens die Herzen der Fans eroberte: Aquaman. Gespielt vom ehemaligen Game of Thrones-Star Jason Momoa konnte der sympathische wie verpeilte Wassermann einen One-liner nach dem anderen verbuchen und stand am Ende des doch recht enttäuschenden Klassentreffens als einer der wenigen Gewinner da. Ähnlich wie Wonder Woman ihren Boost in Batman v Superman: Dawn of Justice für ihren eigenen Solofilm nutzen konnte, stürzt sich nun auch Aquaman in sein eigenes Abenteuer, was einerseits schade ist, da der Charme der Figur vor allem im Zusammenspiel mit den anderen DC-Helden funktioniert. Andererseits wird James Wans Aquaman-Film der unbesorgten Attitüde seines Protagonisten gerecht und fackelt zum Ende des Jahres eines der verrücktesten Blockbuster-Feuerwerke ab.

Erst letzte Woche war es der Start von Mortal Engines, der das Kino mit den überbordenden Bildern eines Fantasyfilms eroberte, die den Geist der Wachowski-Schwestern mit einer beherzten Portion Größenwahn auf die Leinwand bannten. Aquman versteht sich in einer ähnlichen Tradition und fühlt sich über weite Strecken wie ein Science-Fiction-Film unter Wasser an. Der Superhelden-Aspekt kommt gar nich allzu sehr zum Vorschein. Freilich verankern James Wan und sein Autorenteam David Leslie Johnson-McGoldrick und Will Beall die Geschichte im besagten Filmuniversum. Wie allerdings schon Wonder Woman durch eine zeitliche Abgrenzung relativ unabhängig bereits etablierter Ereignisse agieren konnte, trumpft Aquaman mit der lokalen Verlagerung der Geschehnisse auf und verabschiedet sich über ein Gros der Laufzeit in die Weltmeere, wenn er nicht gerade in der Sahara zum Indiana Jones-esken Abenteuerfilm mutiert und sich als shakespearesche Tragödie über Familie und Macht ausprobiert.

Aquaman hat in seinen 143 Minuten Laufzeit einiges vor und verschwendet keine Sekunde, um zur Sache zur kommen. Bereits der Prolog, in dem sich der Leuchtturmwärter Thomas Curry (Temuera Morrison) und die aus Atlantis geflohene Prinzessin Atlanna (Nicole Kidman) in einer stürmischen Nacht in die Arme fallen und verlieben, bietet Stoff für ein mitreißendes Melodram, das mit jeder Welle, die am Kliff zerschellt einen weiteren Schicksalsschlag bereithält. Doch dann folgt die Geschichte konkurrierender (Halb-)Brüder, die im Kampf um zwei verschiedene Welten mit einer komplexen Mythologie konfrontiert werden, die seit 1941 in den unzähligen Panels von DC-Comics gesammelt wird. Wo die meisten Filme vor Ehrfurcht zittern würden, tut es James Wan dem risikofreudigen Wassermann gleich und findet im Chaos die größte Freude, während die komplett überladene Handlung um Atom-U-Boot, Piraten und Seeungeheuer erweitert wird. Das ist genauso ermüdend wie es irgendwann wieder den Punkt der puren Begeisterung erreicht.

Schlussendlich stehen die gebotenen Attraktionen aber ganz auf der Seite des Films, der nicht aufhört mit irrwitzigen Ideen um sich zu schießen und dabei nie in Verlegenheit gerät, seine Reserven zu schnell verbraucht zu haben. An der Unterwasserwelt kann man sich reichlich sattsehen, selbst wenn die Designs untergegangener Städte nicht die originellsten Einfälle bieten. Die leicht verschwommenen Bilder warten mit jedem weiteren Tauchgang dennoch mit einer kleinen Entdeckung auf und überschütten uns mit allen Farben des Spektrums. Wenngleich das Bläuliche und Grünliche in allen Helligkeitsstufen dominiert, tobt sich James Wan dermaßen in den CGI-Welten seines Films aus, das die Unterscheidung zwischen feinen Nuancen und willkürlichem Überfluss unmöglich ist. Dieser Film spielt ein Pitbull-Cover von Totos Africa, wenn zwei seiner Hauptfiguren – ihr ahnt es – an der Küste Afrikas aus dem Wasser steigen. Gut möglich, dass das Wahnsinn ist. Aber wenn es möglich ist, dann zwischen Ozeanen in Aquaman.

Dass der Film nicht komplett auseinander bricht, liegt an der soliden Figurenkonstellation, die der Geschichte zugrunde liegt. Der böse Halbbruder Orm (Patrick Wilson) will die Oberwelt beherrschen, da er in dieser ausschließlich eine Bedrohung sieht. Als spült er all den Müll der Meere mitsamt den mächtigen Kriegsschiffen der Menschen an die Strände, um damit ein unmissverständliches Zeichen zu setzen, das ideal seine politischen Absichten unterstützt. Aquaman hingegen tritt als Mittler zwischen den Welten auf, der seine Rolle erst noch finden muss und keinesfalls als Anführer geeignet ist. Während er die Puzzleteile seiner Vergangenheit mal mehr, mal weniger sorgfältig zusammensetzt, wächst er jedoch genau in die Rolle, für die er geboren wurde. So weit, so konventionell. Schlimm ist das aber keineswegs, immerhin erschrickt sich der Film selbst als erster, wenn er seinen roten Faden wieder entdeckt, denn das beutetet in den meisten Fällen, dass er sich von seinen überlebensgroßen Bildern verabschieden muss.

Da wäre etwa ein rotes Leuchtfeuer, das in den finstersten Graben der Weltmeere vordringt, während sich um den immer weiter in der Tiefe versinkenden Schimmer die Monster tummeln und nur darauf warten, dass das Licht erlischt. Gleich mehrere dieser anmutenden Gemälde bannt James Wan auf die Leinwand, als hätte er eine Splash Page aus den Comics mit filmischen Mitteln zum Leben erweckt. In einem anderen Moment verstecken sich Aquaman und Mera (Amber Heard) in Gedanken an Pinocchio im inneren eines Wales, ehe die mitreißendste Kamerabewegung des gesamten Films einen unvergesslichen Filmkuss hervorbringt. Derweil überschlagen sich Live-Action- und CGI-Elemente, von einer illustren Anzahl an Unterwasserbewohnern ganz zu schweigen. Und dann tauchen in diesem Tohuwabohu Willem Dafoe und Dolph Lundgren auf, um höchst visiert über Unterwasserpolitik zu diskutieren. Ja, Aquaman hat viel zu bieten.

Aquaman © Warner Bros.