Nachdem es gestern an dieser Stelle von den tollsten Filmen des Jahres zu lesen gab, steht heute alles im Zeichen der Kunst des seriellen Erzählens. Viel zu viele Serien gab es 2017 zu entdecken – die Früchte des Peak TV lauerten spätestens jeden Freitag ab neun Uhr auf Amazon und Netflix. Die Hülle und Fülle an neuen Episoden hat dieses Jahr allerdings auch dazu geführt, dass ich mich von einigen Serien getrennt habe, die ich unter anderen Umständen vielleicht ein paar Wochen länger verfolgt hätte, um herauszufinden, ob sich hinter dem ersten schlechten Eindruck nicht doch ein paar bessere verborgen hätten.
So, aber bevor hier zu viel den Dingen nachgetrauert wird, die ich nicht (mehr) gesehen habe, folgen nun – wie schon bei den Filmen – die Runners-up meiner 25 liebsten Serien 2017. Den Anfang macht die nach wie vor unzerbrechliche Kimmy Schmidt, dicht gefolgt von You’re the Worst, Insecure, Top of the Lake. Was die zweite Staffel von The Girlfriend Experience angeht – da bin ich mir noch unschlüssig. Dafür konnte Joe Swanberg mit der Easy-Verlängerung punkten und Marvel’s Runaways waren auch unterhaltsam. Dann wären da noch die drei starken Neustarts Godless, Alias Grace und 13 Reasons Why. Außerdem reichte Baz Luhrmann eine schöne zweite Staffelhälfte von The Get Down nach, die leider viel zu früh von Netflix geköpft wurde.
25. The Americans – Staffel 5 (FX)
Bevor The Americans nächstes Jahr zu Ende geht, gibt es eine durchaus bedrückende Staffel, die am Ende aber doch sehr viel Leere hinterlässt. Gleichzeitig gehört diese Leere und auf gewisse Weise auch Entfremdung zum Konzept bzw. offenbart sich als logische Konsequenz aus dem Handeln der Figuren, die sich in ihren Identitäten verlieren.
24. The Crown – Staffel 2 (Netflix)
Wenngleich The Crown im Rahmen der zweiten Staffel die Tendenz entwickelt, seine Story-Arcs auf einzelne Episoden zu konzentrieren und das große, übergeordnete Drama etwas in den Hintergrund gerät, habe ich wieder viele packende Stunden mit der königlichen Familie verbracht. Selbst nach zwanzig Episoden habe ich noch nicht genug von der umwerfenden Kamera.
23. Sense8 – Staffel 2 (Netflix)
Noch einmal hemmungslos die Montage und das Leben genießen: Kaum eine andere Netflix-Produktion hat das Versprechen der kreativen Freiheiten dermaßen überwältigend und ausufernd eingelöst wie Sense8. Die zweite Staffel schließt daran gekonnt hat und war vielleicht sogar einen Tick flüssiger als die ersten Runde. Zu schade, dass es fast schon wieder vorbei ist.
22. Orange Is the New Black – Staffel 5 (Netflix)
Eine Konzept-Staffel, die emotional einiges zu bieten hatte. Wenngleich der Gefängnisaufstand rückblickend etwas holprig von statten ging, erweist sich das Ensemble von Orange Is the New Black einmal mehr als eines der fähigsten der gesamten Serienlandschaft. Gelacht, geweint: Ich hätte nichts dagegen, wenn Piper noch ein bisschen länger in Litchfield bleibt.
21. A Series of Unfortunate Events – Staffel 1 (Netflix)
Was anfangs wie eine lieblose Variation eines Tim Burton-Films aussah, entpuppte sich als eine der größten Überraschungen des Serienjahres. A Series of Unfortunate Events adaptiert die gleichnamige Romanreihe von Daniel Handler aka Lemony Snicket wahrlich mit Raffinesse und vergisst dabei die Tragweite der erzählten Ereignisse nicht.
20. Riverdale – Staffel 1 & 2 (The CW)
Zwischen Gossip Girl und Twin Peaks erzählt Riverdale von den düsteren Geheimnisse der titelgebenden Kleinstadt und hat sich damit jetzt schon einen festen Platz in meinem Herzen gesichert. Dazu kommt diese perfekte Oberfläche und wie sie im Zuge der einzelnen Episoden auf den Kopf gestellt wird. Möge The CW noch viele Verlängerungen aussprechen.
19. Dear White People – Staffel 1 (Netflix)
Dear White People kam für mich auch ein bisschen aus dem Nichts. Doch dann konnte ich gar nicht mehr aufhören und habe die gesamte Staffel am Stück durchgeschaut. Diese Serie ist dermaßen clever und elegant erzählt, dass mich jede weitere Episode mit ihren geistreichen, frechen und vor allem facettenreichen Gedanken verblüfft hat.
18. Silicon Valley – Staffel 4 (HBO)
Seit vier Jahren begleitet mich Silicon Valley und ich bin immer wieder begeistert, wie wirklich jede Folge zur absoluten Achterbahnfahrt der Gefühle wird. So gerne ich Richard und Co. einen Erfolg gönnen würde, ist die Serie immer dann am besten, wenn sie die möglichen Karrieren auseinandernimmt und dabei erschreckend viel über unsere Welt erzählt.
17. BoJack Horseman – Staffel 4 (Netflix)
Auf dieses sprechende Pferd ist Verlass: Ein Meisterwerk wie Fish Out of Water war dieses Mal zwar nicht dabei, dafür weiß BoJack Horseman immer noch, wie man gute Stimmung innerhalb von drei Sekunden ruiniert und am Ende trotzdem einen wertvollen Moment in all dem Scheitern und in all dem Frust findet. Ob ich die Opening Credits überspringen möchte? Äh, nein?!
16. Search Party – Staffel 2 (TBS)
Letztes Jahr schrieb ich an dieser Stelle, dass sich Search Party so anfühlt, als treffen Veronica Mars und Maeby Fünke auf Girls. Nach zwei Staffeln bin ich mir allerdings gar nicht mehr sicher, was Search Party genau ist, denn diese Serie entwickelt sich in einem dermaßen rasanten Tempo, dass ich manchmal am liebsten Zurückspulen würde, um das Gesehene zu überprüfen.
15. Better Things – Staffel 2 (FX)
Selbst wenn eine Szene schon unangenehm ist, findet Pamela Adlon stets einen Weg, um Better Things noch ein Stück intensiver und vor allem noch ein Stück offener zu gestalten. Unausgesprochene Wahrheiten gibt es hier nicht, denn früher oder später kommt alles zur Sprache. Und das macht diese kleine, aber feine Dramedy so unfassbar wertvoll.
14. Mindhunter – Staffel 1 (Netflix)
In puncto Neustarts hat Netflix dieses Jahr kaum etwas Überragendes abgeliefert. Mit Mindhunter hat David Fincher auf dem VoD-Anbieter seines Vertrauens dennoch eine Thriller-Drama-Serie in Stellung gebracht, die es in sich hat. Es geht gleichermaßen und menschliche wie gesellschaftliche Abgründe – und dann ist da dieses Ende, das alles Vorherige noch einmal in Frage stellt.
13. Game of Thrones – Staffel 6 (HBO)
Game of Thrones habe ich dieses Jahr sehr genossen, selbst wenn die meisten Episoden ein Fest der Unausgeglichenheit waren. Sobald aber Feuer und Eis – mal metaphorisch, mal sprichwörtlich – aufeinandertreffen, geht es hier rund, mit durchaus befriedigender Wirkung. Nach all der Vorarbeit, kostete diese Staffel jeden Augenblick hingebungsvoll aus.
12. Better Call Saul – Staffel 3 (AMC)
Vince Gilligan war nie besser. Die dritte Staffel von Better Call Saul ist beispiellos geschrieben und konzipiert. In jeder Einstellung und in jedem Schnitt versteckt sich ein kleines Geheimnis. Dann fangen die Figuren das Reden an. Messerscharfe Dialoge vereinen sich mit einer der tragischsten Geschichten, die es im Fernsehen aktuell zu finden gibt.
11. Legion – Staffel 1 (FX)
Noah Hawley ist einer der großen Gewinner des Jahres. Mit Legion zeigt er nicht nur, was die X-Men können, sondern generell was eine von Woche zu Woche erzählte Comic-Adaption kann. Eine Serie, die einem psychedelischen Albtraum gleicht – und dann kriecht da Aubrey Plaza in schwarz-weißen Bildern über den Flur und ich kann nie wieder schlafen.
10. Master of None – Staffel 2 (Netflix)
Leichtfüßig gleitet die zweite Staffel von Master of None durch das idyllische Italien, ehe es später wieder zurück ins – mitunter kalte – New York geht. Ab diesem Punkt steigern sich die Erzählungen rund um Dev und seine Freunde in einer emotionalen Spirale voller unerwarteter Entscheidungen und Ereignisse. Master of None gelingt dabei das Kunststück, gestellt und trotzdem echt zu wirken.
9. Big Little Lies – Staffel 1 (HBO)
Ein glasklarer Schmerz zieht sich durch die erste Staffel von Big Little Lies, wenngleich er tief hinter der Fassade dieses perfekten Küstenlebens verborgen liegt. Reese Witherpsoon, Nicole Kidman und Shailene Woodley erweisen sich jedoch als perfektes Trio, um diese Fassade zum Einsturz zu bringen, obwohl sie es sind, die sich zum Schluss am meisten erschrecken.
8. Fargo – Staffel 3 (FX)
Noch einmal Noah Hawley: Dieses Mal meldet sich der Meister mit der famosen dritten Staffel von Fargo zurück, die zwar nicht ganz so perfekt wie die zweite ausfällt, jedoch deutlich mehr Begeisterung für Experimente mitbringt. Thematisch durchgeplant bis zur letzten Sekunde gibt es im eisigen Schnee einige verrückte Dinge zu entdecken – oder eben auch nicht.
7. The Deuce – Staffel 1 (HBO)
Wenn sich David Simon und George Pelecanos für eine neue HBO-Serie zusammenschließen, sind die Erwartungen nicht gering. The Deuce hat diese jedoch locker übertroffen. Nach acht Episoden fühlt sich die Serie bereits wie ein facettenreiches Epos und Gesellschaftsporträt an und trotzdem ist klar, dass ich höchsten erst die Spitze des Eisbergs gesehen haben.
6. Girls – Staffel 6 (HBO)
An dieser Stelle möchte ich eigentlich nur auf sechs Jahre voller Glücksmomente, Tränen und Kopfschütteln zurückblicken und mich bedanken. Girls hat mich wirklich eine lange Zeit begleitet und ich will keine Sekunde mit Hannah, Marnie, Shosh und Jesse vermissen. Keine Ahnung, wo ich ohne diese Serie wäre. Ich bin nur sehr froh, dass sie einfach da war.
5. Halt and Catch Fire – Staffel 4 (AMC)
Auf der Zielgerade katapultiert sich Halt and Catch Fire in den Reigen meisterhafter Dramaserien. Wer hätte je gedacht, dass die Schöpfung von Christopher Cantwell und Christopher C. Rogers eines Tages zu den besten Vertretern ihrer Gattung gehören wird? Am Anfang vermutlich niemand. Doch dann hat Halt and Catch Fire eine Entwicklung hingelegt, die ihresgleichen sucht.
4. The Vietnam War – Staffel 1 (PBS)
Ken Burns und Lynn Novick tauchen tief ein ins amerikanische Gewissen und liefern einen umfangreichen Einblick in die Geschehnisse des Vietnamkriegs ab. Die einzelnen Episoden dringen dabei tief unter die Oberfläche vor und zeigen nicht nur wie erschreckend, sondern auch wie spannend und lehrreich Geschichte sein kann, wenn sie in den Kontext gesetzt und nicht bloß mit Jahreszahlen präsentiert wird.
3. The Handmaid’s Tale – Staffel 1 (Hulu)
Wo The Vietnam War rückblickend auffächert, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, warum diese so lange angehalten hat und warum die Lösung des Konflikts deutlich komplizierter war, als es auf den ersten Blick wirkt, fängt The Handmaid’s Tale den Moment des Umbruchs perfekt ein. Ehe wir uns versehen, hat sich die Welt gewandelt und wir können nichts dagegen tun – oder vielleicht doch?
2. Twin Peaks: The Return – Staffel 1 (Showtime)
„Got a light?“ Kein anderer Satz hat mich dieses Jahr so verfolgt, wie dieser, ausgesprochen von einem Mann im Dunkeln, während um ihn herum die Welt untergeht. David Lynchs Rückkehr in nach Twin Peaks gestaltete sich als fulminanter Albtraum voller erhabener Schreckensbieder, in dem die Vergangenheit in die Gegenwart und die Gegenwart in die Zukunft überging. „HellooOOOooo!“
1. The Leftovers – Staffel 3 (HBO)
Keine Serie hat ihr nahendes Ende dieses Jahr so offen verhandelt wie The Leftovers. Jede Episode strotzt vor Abschiedsmomenten, manchmal offensichtlich, manchmal heimlich, versteckt und leise. Jede Episode war ein Gedicht, ein Essay, eine Meditation – außergewöhnlich zusammengesetzt und ausgestattet mit einer Flut an Gedanken und Gefühlen, dass ich sie bis heute nicht verdaut habe. „I’m here.“
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