Die Astronautin Lucy Cola (Natalie Portman) schwebt im Weltraum und betrachtet die winzigen Lichter auf der Erde. Schon bald soll sie an diesen Ort zurückkehren, der da schweigend im Weltraum liegt. Lucy ist jedoch noch nicht bereit dafür. Am liebsten würde sie für immer in diesem schwerelosen Zustand verbleiben. Mit dem Eintritt in die Erdatmosphäre neigt sich diese Unendlichkeit dem Ende und aus den begeisterten Gesichtszügen formt sich ein teilnahmsloser Blick. Lucy in the Sky beginnt mit einer Verwandlung, deren Ausmaß uns erst in den folgenden zwei Stunden bewusst wird.
Dass sich etwas verändert hat, signalisiert Regisseur Noah Hawley in der Wahl des Seitenverhältnisses. Dominieren zu Beginn seines Kinodebüts große, breite Bilder, beobachtet er das Leben seiner Protagonistin nach der Ankunft auf der Erde im 4:3-Format und meist aus einer entfremdeten, distanzierten Perspektive. Im Fernsehen hat Hawley bereits ausgiebig mit der Wirkung von Bildern experimentiert. Als Schöpfer steht er hinter den Serien Fargo und Legion, die neben ihren faszinierenden Figuren und Geschichten vor allem mit einer ausgeklügelten Bildsprache begeistern.
In dieser Hinsicht bleibt sich Hawley definitiv treu. Die Disziplin ist ihm allerdings abhandengekommen. Lucy in the Sky ist zu keiner Sekunde so perfekt strukturiert wie die genannten Serien. Vielmehr fühlt sich der Film wie eine Sammlung von Momentaufnahmen an, die nach und nach miteinander verschwimmen, was nicht weniger einnehmend als ein Trip ins Unterbewusstsein von David Haller ist. Gerade im Zusammenspiel mit Jeff Russos Musik entfaltet Lucy in the Sky einen hypnotisierenden Sog, der sich irgendwo zwischen Ad Astra und den Filmen von Terrence Malick wiederfindet.
Hawley lässt seine Gedanken schweifen und interessiert sich für Stimmungen. Mal schwebt er mit der Kamera über die Vorstadt, mal verliert er sich im Licht der Sonne, die verträumt durch die Baumkronen blinzelt. Die Welt von Lucy in the Sky wirkt paradiesisch und geheimnisvoll, manchmal sogar komplett aus der Zeit gefallen. Obwohl die Geschichte von wahren Begebenheiten inspiriert wurde, entzieht sich der Film einem konkreten Datum, auf das er hinausläuft. Zur Zeitlosigkeit trägt besonders die NASA-Kulisse bei: Hier finden sich Spuren, die bis in die 1950er und 1960er Jahre zurückreichen.
Zusammengehalten wird Lucy in the Sky von Natalie Portman. Nahtlos schließt sie an ihre herausragenden Darbietungen der letzten Jahre an. Zwischen Selbstbestimmung und Kontrollverlust bahnt sich ihre Lucy ihren Weg durch den Film. Sie gehört zu den Besten ihres Fachs und verliert trotzdem den Bezug zur Wirklichkeit. Im Weltraum so sicher, auf der Erde dagegen orientierungslos und fremd: Lucy in the Sky stellt eine schöne Ergänzung zu Jackie, Annihilation und Vox Lux dar. Einmal mehr führt Natalie Portman beeindruckend eine Charakterstudie über Entfremdung an.
Beitragsbild: Lucy in the Sky © Disney/20th Century Studios
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