Die erste Berlinale unter der Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek hatte nicht nur eine neue Sektion (Encounters), sondern auch viele tolle Filme zu bieten. Sowohl im Wettbewerb als auch in den Nebenreihen gab es aufregendes Kino zu entdecken, mitunter war sogar die ein oder andere spannende Serienproduktion dabei wie The Eddy und Dispatches From Elsewhere. Nachfolgend soll es aber um die besten Filme gehen, die im Rahmen des Festivals zu sehen waren.
The Trouble with Being Born (Sandra Wollner, 2020)
Die erste Entdeckung ist The Trouble with Being Born, eine abgründige Studie über das Zusammenleben von Menschen und künstlichen Intelligenzen. Wo Steven Spielbergs in A.I. Artificial Intelligence Tränen entdeckte, findet Sandra Wollner etwas deutlich Unbehaglicheres.
Sibera (Abel Ferrara, 2020)
Geradezu schwindelerregend ist Siberia, der neue Film von Abel Ferrara, der direkt nach Tommaso kommt. Das liegt nicht nur an den verstörenden Montagen, sondern ebenso dem Gedankenwirrwarr, das sich irgendwo in der kräftezehrenden Darbietung von Willem Dafoe bündelt.
My Salinger Year (Philippe Falardeau, 2020)
Von vielen wurde der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale belächelt. Am Ende ist My Salinger Year aber doch ein sehr schöner Streifzug durch die Bücherwelt von New York mit ein bisschen The Devil Wears Prada und einer ganz tollen Margaret Qualley.
Maggie’s Farm (James Benning, 2020)
James Benning filmt Mülltonnen, leere Gänge und die Sträucher vor dem California Institute of Art. Maggie’s Farm ist eine Zusammenstellung von langen, statischen Einstellungen, die wenig Action versprechen und dennoch in ihren Bann ziehen.
Anne at 13,000 ft (Kazik Radwanski, 2019)
Der wohl unmittelbarste Film auf der gesamten Berlinale: Anne at 13,000 ft bringt uns mit seiner Kamera unglaublich nah an seine Protagonistin heran, die über den Wolken hoch konzentriert ist, auf dem Boden jedoch kaum Fassung in ihrem Leben findet.
The Assistant (Kitty Green, 2020)
Nach Bombshell folgt mit The Assistant der nächste aufwühlende #MeToo-Film. Zwar könnten beide Werke kaum gegensätzlicher sein. Dennoch ergänzen sie sich großartig. Auf das aufwirbelnde Element von Bombshell trifft nun eine stille, aber nicht weniger erschütternde Beobachtung des Arbeitsalltags.
Shirley (Josephine Decker, 2020)
Shirley ist ein Film, in dem die Figuren nie zur Ruhe kommen. Aus vielen verschiedenen Perspektiven stellt uns Josephine Decker ihr Ensemble vor und lässt bis zum Schluss eine gewisse Ungewissheit walten, besonders im Hinblick auf die grandios von Elisabeth Moss verkörperte Titelfigur.
Undine (Christian Petzold, 2020)
Mit Transit beeindruckten Christian Petzold, Paula Beer und Franz Rogowski schon einmal auf der Berlinale. Undine setzt die fruchtbare Zusammenarbeit des Trios mit einer romantischen wie tragischen Meditation fort, die abseits der großen Liebesgeschichte über die Trümmer der Vergangenheit nachdenkt.
The Woman Who Ran (Hong Sang-soo, 2020)
Hong Sang-soo verzauberte auf der Berlinale einmal mehr mit einer verspielten, leichtfüßigen Variation vertrauter Motive – dieses Mal durch die Augen einer jungen Frau, die alten Freundinnen über den Weg läuft und dabei ebenfalls das Vergangene Revue passieren lässt. Wie immer toll: Kim Min-hee.
Never Rarely Sometimes Always (Eliza Hittman, 2020)
In Never Rarely Sometimes Always folgt Eliza Hittman der 17-jährigen Autumn, die ungewollt schwanger ist und sich daher auf den Weg nach New York in eine Abtreibungsklinik macht. Sidney Flanigan trägt diesen berührenden, leisen und überwältigenden Film komplett auf ihren Schultern.
First Cow (Kelly Reichardt, 2019)
Zwei Männer im Grenzland, die eine Freundschaft eingehen und dank einer Kuh ein kleines Stück vom amerikanischen Traum abbekommen: Kelly Reichardts First Cow gehört zu den ganz großen Filmen des Festivals, so aufmerksam und vielschichtig denkt er über die Menschen, die Welt und das Leben nach.
Days (Tsai Ming-liang, 2020)
Nur ein Film war auf der Berlinale noch poetischer: Days von Tsai Ming-liang. Zwei Männer aus zwei verschiedenen Städten treffen in ihrer Einsamkeit aufeinander. Es sind die wohl intimsten Bilder, die im Lauf des gesamten Festivals auf der großen Leinwand zu sehen waren.
Anne at 13,000 ft © Medium Density Fibreboard Films/The Cinema Guild
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